Szenarioanalyse oder Sensitivitätsanalyse
Written by Philipp Stirnemann on Oktober 16, 2020 in Businessplanung

Szenarioanalyse

Szenarioanalysen sind eine der bekanntesten und beliebtesten Methoden der Unternehmensplanung. Diese Methodik ist grundsätzlich überall dort anwendbar, wo Unsicherheiten vorhanden sind – vom operativen bis hin zum strategischem Level. Besonders oft wird die Szenarioanalyse in der Finanzplanung bzw. den finanziellen Planrechnungen genutzt.

Bei der Erstellung eines Finanzplans müssen zahlreiche Annahmen getroffen werden, die a priori mit Unsicherheit behaftet sind: Zum Beispiel die Entwicklung der Materialpreise oder der Kundenzahl. Dabei gilt: Je länger der Planungshorizont ist, desto grösser sind auch die möglichen Abweichungen vom Ist- und Planwert.

Unter einem Szenario versteht man eine Darstellung einer möglichen zukünftigen Situation. Für die Analyse werden verschiedene Szenarien entwickelt. Dabei werden diese Zukunftsbilder auf Basis der aktuellen Annahmen und Berechnungen erstellt. Typischerweise werden drei Szenarien gebildet: ein negatives (Low Case), ein positives (High Case) und ein Standardszenario (Base Case). Der Base Case ist das Szenario mit der höchsten Wahrscheinlichkeit.

Oft wird die Abweichung der folgenden Parameter untersucht:

Kundenzahl

Damit kann man ausrechnen, was passiert, wenn die Kundenzahlen vom Planwert variieren. Dies hat eine Auswirkung nicht nur auf den Umsatz, sondern beispielsweise auch auf den Personalbestand – man braucht evtl. weniger oder mehr Mitarbeiter, um Produkte herzustellen und Kunden zu bedienen.

Nettopreis/ Nettoumsatz pro Kunde

Solche Simulationen sind nützlich, wenn der Markt nicht reif ist oder eine Preisstrategie nicht fest definiert werden kann. In der Analyse können verschiedene Preisvarianten betrachtet und deren Auswirkung auf das Gesamtergebnis untersucht werden.

Materialpreis (oder andere variable Kosten)

Damit kann die Robustheit des Business gegenüber externen Preisänderungen untersucht werden. Überdies gibt diese Analyse einen Anhaltspunkt, ob die den Planrechnungen zugrunde gelegten Preis angemessen sind (steigen die Inputpreise, ist abzuklären, ob die Verkaufspreise immer noch angemessen sind).

Währungskurs

Unternehmen, die von anderen Währungsräumen Produkte oder Dienstleistungen beziehen oder in diese exportieren, können sehr sensibel auf den Wechselkurs reagieren.

Kosten und Laufzeit des Fremdkapitals

Zur Untersuchung von verschiedenen Finanzierungsvarianten können die Finanzierungsparameter variiert werden, um so die entstehenden Effekte zu testen.

Zeitrahmen

Bei längeren und grösseren Projekten ist es nicht unüblich, dass die geplanten Fristen nicht eingehalten werden können. Solche Verzögerungen haben oft drastische Auswirkungen auf die Höhe des benötigten Kapitals, die Liquidität und letztlich auch auf die Profitabilität.

Die Liste der Parameter zur Analyse ist nicht abschliessend. In Abhängigkeit von der Situation können weitere Kennzahlen untersucht werden. Die Szenarien werden individuell an die Situation des Unternehmens angepasst.

Zu komplexe Szenarien mit Duzenden von variierenden Variablen sollten jedoch vermieden werden.  Am besten sollte man zuerst die (Haupt-) Value Driver bestimmen und deren Abweichungen untersuchen. Nicht selten bewirken geringe Abweichungen dieser Schlüsselparameter grosse Auswirkungen auf das Gesamtergebnis.

Szenarioanalyse deckt Probleme auf

Die Szenarioanalyse ist – wie die finanziellen Planrechnungen auch – keine exakte Wissenschaft und stellt daher keine „echten“ Vorhersagen dar. Szenarioanalysen haben mehr Ähnlichkeit mit Gedankenexperimenten, die verschiedene „Was-wäre-wenn-Fragen“ stellen und beantworten. Ausserdem liefern Szenarioanalysen keine Informationen über die Eintreffenswahrscheinlichkeit des jeweiligen Szenarios. Dieser Nachteil kann mit Hilfe zusätzlicher Simulationen beseitigt werden.

Nichtsdestotrotz ist eine Szenarioanalyse sehr empfehlenswert. Sie hilft, mögliche Probleme aufzudecken und die entsprechenden Gegenmassnahmen vorzubereiten. Ausserdem zeigt die Szenarioanalyse nicht offensichtliche Zusammenhänge in qualitativer Form auf und bietet dem Unternehmen verschiedene Perspektiven auf den Businessprozess.

Sensitivitätsanalyse

Die Sensitivitätsanalyse zeigt, welche Auswirkungen kleine Veränderungen der Inputdaten auf das Endergebnis haben – in diesem Fall im Zusammenhang mit den finanziellen Planrechnungen. Sie gibt Antworten auf folgende Fragen:

  • Was passiert mit dem Zielwert bei Veränderung einzelner Inputparametern?
  • Welchen Wert muss ein Inputfaktor haben, damit ein gewünschter Output-Wert erreicht werden soll?
  • Wie beeinflussen ungünstige Veränderungen der einzelnen Input-Variablen das Gesamtprojekt und deren Entwicklungen?

Bei der Sensitivitätsanalyse werden jeweils nur ein oder zwei Input-Faktoren ausgewählt und in verschiedene Richtungen verändert. Dabei wird ihre Sensitivität auf einen Zielwert (z.B. Gewinn oder Unternehmenswert) untersucht.

In den folgenden Tabellen sind jeweils die Auswirkungen von zwei Inputfaktoren (Achsen) auf einen Zielwert (Wert in der Tabelle) ersichtlich.

Sensitivitätsanalyse rechner

Die Sensitivitätsanalyse wird besonders für Berechnungen unter Unsicherheit verwendet. Mit dieser Analyse können Risiken minimiert werden, indem bei kritischen Einflussfaktoren entsprechende Gegenmassnahmen vorbereitet werden. Des Weiteren können die Ergebnisse als Steuerungsmittel verwendet werden. Wirkt ein Faktor besonders sensibel auf die Zielgrösse des Modells, so kann diese Wirkung zur Optimierung des wirtschaftlichen Nutzens verwendet werden.

Die Sensitivitätsanalyse kann durch einen Stresstest (sog. Stresstesting) erweitert werden. Beim Stresstesting werden einzelne Inputfaktoren so stark verändert – meistens in den negativen Bereich –dass ein Zielwert gerade noch einen gewissen Mindestwert erreicht. Im Prinzip handelt es sich um ein Extremszenario. Typische Fragestellungen sind hierbei: Wieviel darf der Franken noch aufwerten, bis das Unternehmen Verluste schreibt? Oder: Wie viel Verlust (und über welchen Zeitraum) kann anfallen, bis das Unternehmen (ohne Gegenmassnahmen) Konkurs geht?

Nachteile der Sensitivitätsanalyse

Wie alle quantitativen Methoden hat die Sensitivitätsanalyse einige Einschränkungen und Nachteile:

  1. Mit der Methode lassen sich nur einzelne Faktoren untersuchen. Wechselwirkungen zwischen Inputwerten werden nicht berücksichtigt. Bei komplexen Modellen mit mehreren Einflussgrössen nimmt die Aussagekraft der Sensitivitätsanalyse ab.
  2. Veränderungen der Inputgrössen durch externe Faktoren, wie beispielweise Wettbewerbsveränderungen, werden nicht berücksichtigt.
  3. Die Methode nennt weder Gründe noch Wahrscheinlichkeiten für solche Abweichungen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass mit der Sensitivitätsanalyse relativ rasch und mit geringem Aufwand eine grobe Risikoabschätzung gemacht werden kann. Diese Analyse gibt aber keine direkte Antwort darauf, ob eine Investition wertschaffend ist oder nicht, sondern sie verdeutlicht die Risiken und Einflussfaktoren. In der Regel wird die Sensitivitätsanalyse mit anderen quantitativen Methoden, wie z.B. der Szenarioanalyse oder der Break-even-Analyse kombiniert.

2 Comments
Jonathan Müller

Februar 22, 2021 @ 15:46

Reply

Guten Tag
Im Pdf (Download) wird ja der Umsatz in verschiedenen Szenarien dargestellt und dann auch noch die Personalkosten. Diese scheinen unabhängig voneinander zu sein. Meine Frage ist, ob das sinnvoll ist. Wäre es nicht sinnvoller, wenn man die Kosten vom Umsatz abhängig macht?

Philipp Stirnemann

Februar 25, 2021 @ 10:17

Reply

Hallo Jonathan
Du hast natürlich recht. Steigt der Umsatz, ist dies in der Regel – zumindest langfristig – häufig auch mit einem vermehrten Personaleinsatz verbunden, vor allem bei einem Coiffeur, wo Arbeitsinput direkt abhängig vom Umsatz ist (bei andern Businessmodellen, die mehr skalierbar sind, ist das natürlich anders).
Wir modellieren diese Abhängigkeit auch manchmal, d.h. bei steigenden Umsatz steigen andere Kosten (direkte Inputkosten) auch mit. Man muss das aber im Einzelfall anschauen, es gibt variable Kosten, fixe Kosten und langfristig sind auch die fixen Kosten nicht immer so fix, oder sie sind beispielsweise «sprungfix».
Das alles hat aber mehr mit der Modellierung der Umsatz-Kosten-Zusammenhänge zu tun als mit der Szenarioanalyse per se. Wenn man einfach mehrere Szenarien haben will, die zeigen, was in die eine und die andere Richtung zu erwarten ist, kann man mit Szenarien schon viel erreichen. Gerade bei Start-ups, die noch keine History haben, kann das viel Sinn ergeben.
In diesem Video zeigen wir ausführlich, wie man diese Abhängigkeiten und verschiedenen Einkommensströme abbilden kann: https://businessplan-pro.ch/aufbau/planrechnungen/
Beste Grüsse,
Philipp Stirnemann

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