

Möchten Sie wissen, wie Sie den erzielten Bilanzgewinn Ihrer AG oder GmbH in der Schweiz verwenden dürfen? Mit dieser Frage sieht sich nahezu jeder Unternehmer konfrontiert, dessen Business bereits stabil auf beiden Beinen steht und profitabel ist. Die Antwort auf die Frage zur korrekten Gewinnverteilung ist nämlich nicht einfach. Es gibt unterschiedliche Aspekte, die zwingend in Betracht gezogen werden müssen. Deshalb werden wir im Folgenden auf die entscheidenden Fragen beim Thema «Gewinnverwendung» detailliert eingehen:
- Welche Optionen der Gewinnverwendung gibt es?
- Wie hoch muss der Anteil der Reserven sein?
- Wieviel Dividende darf ausgeschüttet werden?
- Wie beschliesst man rechtlich die Entscheidung über die Gewinnverteilung?
Inhalt
- Mögliche Optionen bei der Gewinnverwendung einer AG oder GmbH
- Schrittweise Berechnung der Gewinnverwendung
- Schritt 1: Kalkulation der auszuschüttenden Summe aus dem Gewinn
- Schritt 2: Bilden der gesetzlichen Reserven nach Zuweisung 1
- Schritt 3: Dividendenausschüttung und Reservebildung nach Zuweisung 2
- Schritt 4: Bilden der freiwilligen Reserven
- Schritt 5: Übertragen des verbleibenden Gewinns: Gewinnvortrag
- Beschluss über die Gewinnverteilung
Mögliche Optionen bei der Gewinnverwendung einer AG oder GmbH
Bei der Gewinnverwendung stehen Schweizer Unternehmern unterschiedliche Optionen offen, die sich wie folgt darstellen:


Sämtliche Optionen der Gewinnverteilung stehen eng miteinander im Zusammenhang:


Im Rahmen einer AG/GmbH kann die Gewinnverwendung in drei unterschiedlichen Kombinationen umgesetzt werden, sofern ein Bilanzgewinn vorliegt:
- Den gesamten Bilanzgewinn im Unternehmen behalten (durch Bildung von Reserven oder in Form von nicht verteiltem Gewinn, der als Gewinnvortrag ins nächste Jahr übertragen wird).
- Den Bilanzgewinn teilweise im Unternehmen behalten und einen Teil davon in Form von Dividenden (und seltener in Form von Tantiemen) ausschütten.
- Den Gewinn vollständig in Form von Dividenden (und seltener in Form von Tantiemen) ausschütten.
Wichtig!
Die erste genannte Option der Gewinnverteilung ist stets zulässig, die anderen beiden Möglichkeiten sind jedoch nur unter speziellen Voraussetzungen realisierbar. Obwohl nach Art. 660 Abs. 1 OR der Anspruch der Aktionäre auf einen bestimmten Teil des Gewinns besteht, darf der Bilanzgewinn laut Gesetz nicht immer vollständig unter den Aktionären/Beteiligten ausgeschüttet werden. Gemäss Art. 671 OR müssen zunächst gesetzliche Reserven gebildet werden, solange die festgelegten Reservegrenzen noch nicht erreicht wurden. Ziel ist es, den Gläubigerschutz bzw. damit den optimalen Schutz des Eigenkapitals zu gewährleisten.
Im Folgenden werden wir erläutern, wie sich die Höhe der Reserven, Dividenden und des Gewinnvortrags bzw. die Höhe des nicht auszuschüttenden Gewinns berechnen lassen. Auf folgende Aspekte müssen Sie unbedingt achten, wenn Sie den Gewinn vollständig oder teilweise durch die Ausschüttung von Dividenden verteilen möchten.
Schrittweise Berechnung der Gewinnverwendung
Schritt 1: Kalkulation der auszuschüttenden Summe aus dem Gewinn
In diesem Fall müssen Sie den Gewinn-/Verlustvortrag der Vorjahresbilanz zum diesjährigen Gewinn oder Verlust addieren. Damit erhält man den Bilanzgewinn, der zu einer Ausschüttung berechtigt.
Definition Bilanzgewinn
Bilanzgewinn = Summe folgender 3 Komponenten:
- Kumulierte Jahresverluste sämtlicher Vorjahre;
- Kumulierte Jahresgewinne sämtlicher Vorjahre, die nicht ausgeschüttet wurden bzw. nicht in die Reserven flossen;
- Aktueller Jahresgewinn bzw. –verlust
Oder einfacher die Summe von:
- Verlustvortrag bzw. Gewinnvortrag;
- Aktueller Jahresgewinn bzw. –verlust
Unter Gewinnvortrag sind die kumulierten Gewinne und Verluste der Vorjahre zu verstehen, die nicht als Dividende ausgeschüttet oder einer Reserve zugewiesen worden sind. Ist der Bilanzgewinn negativ, kann keine Reservenbildung und keine Ausschüttung stattfinden.


Schritt 2: Bilden der gesetzlichen Reserven nach Zuweisung 1
Detaillierte Regelungen zur Reservebildung sind in Art. 671 und 672 OR aufgeführt. Gemäss Gesetzgebung erfolgt die Reservebildung zweistufig: Zuweisung 1 und Zuweisung 2. Das Prinzip für die erste Zuweisung lautet wie folgt: 5% des Jahresgewinns einer Aktiengesellschaft oder GmbH müssen den Reserven zugewiesen werden, bis diese kumuliert 20% des Aktien- oder Stammkapitals erreicht haben. Sobald die Höhe der Gewinnreserve 20% des Kapitals erreicht hat, darf das Unternehmen auf eine weitere Reservebildung nach Zuweisung 1 verzichten. In anderen Worten: Unabhängig davon, ob Ihr Unternehmen eine Dividende ausschüttet oder nicht – Sie müssen bei positivem Jahresgewinn stets Ihre gesetzlichen Reserven erhöhen, bis Sie die festgelegte 20%-Grenze überschreiten. Eine Ausnahme besteht dann, wenn ein genügend hoher Verlustvortrag entstanden ist, der mit dem aktuellen Jahresgewinn verrechnet werden kann. Falls der Verlustvortrag kleiner ist als der Jahresgewinn, dann liegt ein Bilanzgewinn vor, der als Basis für die Berechnung der Reserven und allenfalls Superdividenden dient (Basis ist dann nicht der Jahresgewinn).
Beispiel 1: Reservebildung (Zuweisung 1)
- Aktienkapital – CHF 100’000
- Gebildete Reserven – CHF 10’000
- Bilanzgewinn – CHF 15’000
Aufgabe: Übertragung in die gesetzlichen Reserven nach Zuweisung 1.
Lösung:
- Gebildete Reserven vom Aktienkapital = CHF 10’000 / CHF 100’000 = 10% < 20%
- Neue Zuweisung in die gesetzlichen Reserven = CHF 15’000 X 5% = CHF 750
Die Zuweisung 2 erfolgt nur im Falle einer speziellen Dividendenausschüttung, die im Folgenden erklärt wird.
Schritt 3: Dividendenausschüttung und Reservebildung nach Zuweisung 2
Wie dürfen Sie den Gewinn verwenden, nachdem Sie die festgelegten 5% des Jahresgewinns bereits den Reserven zugewiesen haben? Eine der Optionen ist die Ausschüttung einer zusätzlichen Superdividende. Dieser Ansatz ist eng mit der Bildung der weiterer Reserven verbunden. Laut Art. 674 OR darf die Dividende erst festgelegt werden, nachdem die dem Gesetz und den Statuten entsprechenden Zuweisungen an die gesetzlichen und statutarischen Reserven vollzogen wurden.
Ausgeschüttete Dividenden unterteilen sich in zwei Kategorien:
- Grunddividende
- Superdividende
Unter einer Grunddividende versteht man den Teil der ausgeschütteten Dividende, der 5% des einbezahlten Aktien- und Stammkapitals nicht überschreitet. Entscheiden Sie sich für die Ausschüttung einer Dividende in Höhe von bspw. 4% des einbezahlten Kapitals, wird sie komplett als Grunddividende definiert. In diesem Fall müssen keine gesetzlichen Reserven nach Zuweisung 2 gebildet werden.
Die Superdividende dagegen ist der Teil der ausgeschütteten Dividende, dessen Höhe 5% des Aktien- bzw. Stammkapitals überschreitet. Diese kommt also erst dann in Frage, wenn die ausgeschüttete Dividende die 5 Prozent-Grenze übersteigt.


Falls Sie sich für die Ausschüttung einer Superdividende entscheiden, müssen Sie zwei mögliche Szenarien in Betracht ziehen, um den freien Anteil der Superdividende und die Höhe der Reservenzuweisung 2 berechnen zu können:


Szenario 1: Bereits gebildete gesetzliche Reserven betragen weniger als 50% des Grundkapitals
Wenn die bisher gebildeten gesetzlichen Reserven 50% des Aktien- bzw. Stammkapitals unterschreiten, muss bei der Ausschüttung der Superdividende und / oder Tantieme deren Höhe anteilig in die gesetzlichen Reserven eingezahlt werden. Dabei können zwei mögliche Varianten auftreten:
- Fall A: Bereits gebildete Reserven plus 10% der Superdividende betragen weniger oder gleich 50% des Aktien- bzw. Stammkapitals
Sollte dieser Fall A eintreten, sind Sie per Gesetz verpflichtet, 10% der Höhe der Superdividenden und Tantiemen in die gesetzlichen Reserven zu entrichten. - Fall B: Bereits gebildete Reserven plus 10% der Superdividende betragen mehr als 50% des Grundkapitals
In diesem Fall B muss lediglich anteilig 10% der Superdividende und/oder der Tantieme in die gesetzliche vorgeschriebene Reserve eingezahlt werden, bis die festgelegte 50-Prozent-Grenze erreicht ist. Der restliche Teil der beschlossenen Superdividenden bzw. Tantieme darf ohne weitere anteilige Reservenzuweisung ausgeschüttet werden.


Szenario 2: Bereits gebildete Reserven betragen 50% oder mehr des Grundkapitals
Sollten die gebildeten Reserven bereits 50 Prozent des Aktien- bzw. Stammkapitals erreicht oder überschritten haben, müssen keine weiteren Zuweisungen in die gesetzlich vorgeschrieben Reserven erfolgen. In diesem Fall dürfen Sie die Superdividende vollständig ausschütten.
Beispiel 2: Reservebildung (Zuweisung 2)
- Aktienkapital – CHF 100’000
- Gebildete Reserven – CHF 30’000
- Bilanzgewinn – CHF 15’000
- Ausgeschüttete Dividende total – CHF 10’000
Aufgabe: Vornahme einer korrekten Reservenbildung nach Zuweisung 2.
Lösung:
- Bestand gesetzliche Reserven vom Aktienkapital = CHF 30’000 / CHF 100’000 = 30%
- 30% > 20%, keine Reservebildung nach Zuweisung 1 erforderlich
- 30% < 50%, eine Reservebildung nach Zuweisung 2 ist notwendig
- Superdividende = CHF 10’000 – 5% des Aktienkapitals = CHF 5’000
- Maximal notwendige Entrichtung in die Reserven nach Zuweisung 2 = 10% x Superdividende = CHF 500
- (CHF 30’000 + CHF 500) < 50% des Aktienkapitals, d.h. 10% der Superdividende müssen vollständig in die gesetzlichen Reserven entrichtet werden.
- Entrichtung in die gesetzlichen Reserven nach Zuweisung 2 = CHF 500
- Entrichtung der Dividende von CHF 10’000 (Grund- und Superdividende von je CHF 5’000)
Wichtig!
Grund der Differenzierung zwischen Grund- und Superdividende besteht darin, den Interessensschutz der beteiligten Parteien zu gewährleisten: Aktionäre bzw. Anteilseigner und Gläubiger. Shareholder tendieren eher dazu, den erzielten Gewinn untereinander aufzuteilen und damit dem Unternehmen Kapital zu entziehen. Gläubiger dagegen sind daran interessiert, dass das Unternehmen den erzielten Gewinn kumuliert und damit die Höhe des Eigenkapitals stärkt, denn Unternehmen (AG oder GmbH) haften lediglich mit ihrem Eigenkapital gegenüber ihren Gläubigern. Höhere Dividenden dürfen daher den Aktionären bzw. Anteilshaltern erst dann ausgezahlt werden, wenn die Interessen der Gläubiger ausreichend abgesichert sind.
Neben den Dividenden darf ein Unternehmen eine ausserordentliche Vergütung an den Verwaltungsrat auszahlen – sogenannte Tantiemen. In der Praxis werden diese jedoch kaum ausgeschüttet. Alternativ dazu werden Honorare gezahlt, die vom Verwaltungsrat aus steuerlicher Perspektive bevorzugt werden, da das Unternehmen in diesem Fall seine Kosten erhöht und die Gewinnsteuern optimieren kann.
Schritt 4: Bilden der freiwilligen Reserven
Neben den gesetzlich vorgeschriebenen Rücklagen darf eine AG oder GmbH aus dem erzielten Gewinn gemäss Art. 673 OR zusätzliche bzw. sogenannte freiwillige Reserven bilden. Obwohl es in der Praxis nicht häufig vorkommt, kann diese Massnahme in manchen Fällen durchaus sinnvoll sein. Dies gilt vor allem für Unternehmen, die unter risikobehafteten Bedingungen (Branche, Marktumfeld etc.) aktiv sind. Ziel ist es, zusätzliche finanzielle Ressourcen im Unternehmen zu kumulieren und so Sicherheitspuffer gegenüber potenziellen Haftungsansprüchen oder Branchenkrisen aufzubauen.
Schritt 5: Übertragen des verbleibenden Gewinns – Gewinnvortrag
Nachdem der Gewinn auf Reserven und Dividenden verteilt ist, darf der Restgewinn als neuer Gewinnvortrag in die Bilanz des Folgejahres vorgetragen werden. Dieser Betrag kann zukünftig zum Jahresgewinn des Folgejahres hinzuaddiert und – wenn gewünscht – ausgeschüttet werden.
Beschluss über die Gewinnverteilung
1. Erstellung des Gewinnverteilungsplans
Wenn Sie sich für eine konkrete Struktur der Gewinnverteilung entschieden haben, lohnt es sich, diese zu Papier zu bringen. Dafür sollten Sie einen Gewinnverteilungsplan erstellen, der folgende Kernpunkte aufweist:
- Erzielter Gewinn zur Verteilung
- Im Unternehmen zurückzuhaltender Anteil des Gewinns
- Auszuschüttende Anteil des Gewinns
- In das neue Jahr vorzutragender Saldo
2. Beschlussfassung durch die Generalversammlung
Der erstellte Gewinnverteilungsplan (alternativ «Gewinnverwendungsrechnung») unterliegt der Beschlussfassung durch die Generalversammlung einer AG oder GmbH. Die Entscheidung über die Bildung von Reserven oder die Dividendenausschüttung wird laut Gesetz an der Generalversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit gefasst (in der Regel jährlich).
Haben Sie das Gefühl, dass Sie sich in einigen praktischen Aspekten dieses Themas nicht hundertprozentig sicher fühlen? Wenn Sie die Abwicklung und das korrekte Handling der Gewinnverwendung Ihrer AG/GmbH in professionelle Hände übergeben möchten, steht Ihnen unser professionelles Treuhand-Team gerne zur Verfügung.
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